Personalstrategien für den Mittelstand
Management Summary
Der demografische Wandel stellt den Mittelstand vor die größte langfristige Personalherausforderung. Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Arbeit schultern, da mit den Babyboomern bis 2033 ein großer Teil der Belegschaften in Rente geht. Bereits heute sind in vielen Regionen qualifizierte Arbeitskräfte rar – Unternehmen aller Größen klagen über unbesetzte Stellen. Dieser Fachkräftemangel wird sich ohne Gegenmaßnahmen weiter verschärfen.
Für mittelständische Unternehmen – oft ländlich verwurzelt und nicht mit Großkonzernen bei Gehältern konkurrierend – ist der "War for Talent" besonders schwierig. Gleichzeitig bietet der demografische Wandel auch Chancen: etwa durch das Erfahrenheitswissen älterer Mitarbeiter, das genutzt werden kann, oder durch neue Zielgruppen (z.B. Silver Worker, Migranten), die in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Eine strategische, vorausschauende Personalpolitik ist entscheidend, um die Auswirkungen der Demografie abzufedern.
Daten und Trends: Weniger, älter, bunter
Die deutsche Bevölkerung wird in den kommenden Jahren merklich älter – mit direkten Folgen für den Arbeitsmarkt. Geburtenarme Jahrgänge ersetzen die Babyboomer nicht im vollen Umfang, sodass die Zahl der Erwerbspersonen sinkt. Offiziellen Vorausberechnungen zufolge wird die Bevölkerung im Erwerbsalter (definitionsgemäß ca. 20–66 Jahre) von 51,8 Mio. im Jahr 2018 auf etwa 46 Mio. im Jahr 2035 schrumpfen. Ohne kontinuierliche Zuwanderung wäre der Rückgang sogar noch drastischer.
Entwicklung der Erwerbsbevölkerung
Prognose basierend auf offiziellen Vorausberechnungen.
Schon bis 2030 zeichnet sich ein starkes Ungleichgewicht ab: In diesem Zeitraum werden etwa 12 bis 16 Millionen Beschäftigte das Rentenalter erreichen, während erheblich weniger Junge nachrücken. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet in den nächsten 15 Jahren rund 12,9 Millionen Verrentungen (Personen, die ins gesetzliche Rentenalter eintreten). Diese "Rentnerwelle" hat inzwischen eingesetzt und wird bis Anfang der 2030er ihren Höhepunkt erreichen.
Fachkräftelücke: Wenn geburtenstarke Jahrgänge ausscheiden
Wenn geburtenstarke Jahrgänge ausscheiden, entsteht eine Lücke, die durch Schulabgänger und Berufseinsteiger immer schwerer zu füllen ist. Schon jetzt sind zwei Drittel aller Arbeitsplätze, die eine Ausbildung oder ein Studium erfordern, schwer oder gar nicht zu besetzen. Der Begriff Fachkräftemangel bezeichnet dabei einen anhaltenden Engpass an qualifizierten Mitarbeitern – zunächst in bestimmten Regionen und Branchen, doch zunehmend gesamtwirtschaftlich spürbar.
Prognostizierte Fachkräftelücke bis 2030
Prognos-Institut
Basisszenario
Boston Consulting
Nur IT-Spezialisten
Arbeitgeberverbände
Pessimist. Szenario
In jedem Fall klafft eine deutliche Lücke, die ohne Gegenmaßnahmen zu wirtschaftlichen Einbußen führt.
Die Fachkräftelücke drückt sich bereits in konkreten Kennzahlen aus:
Rekordwert an offenen Stellen
Fast jede zweite offene Stelle (45,9%) bleibt vakant
Im Jahresdurchschnitt 2022/23 blieben laut KOFA-Analysen ca. 610.000 Stellen unbesetzt.
Wachsende Liste von Engpassberufen
Trotz konjunktureller Schwankungen steigt die Zahl der Engpassberufe:
- Fast alle Pflege- und Gesundheitsberufe
- Handwerksberufe vom Elektriker bis zum Bäcker
- IT-Fachkräfte
- Bestimmte Techniker- und Ingenieurberufe
Quelle: Bundesagentur für Arbeit "Positivliste"
Besonders betroffen: Kleine Unternehmen
Anteil unbesetzter Stellen nach Unternehmensgröße
Daten approximiert basierend auf KOFA-Studien.
Kleinere Unternehmen, insbesondere im ländlichen Raum, haben oft größere Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden und zu binden als Großkonzerne in Ballungszentren. Sie können meist nicht mit hohen Gehältern konkurrieren und müssen andere Vorteile wie ein gutes Betriebsklima, Flexibilität oder regionale Verwurzelung in die Waagschale werfen.
Regionale Unterschiede
Der demografische Wandel trifft nicht alle Regionen Deutschlands gleich stark. Strukturschwache, ländliche Gebiete – insbesondere in Ostdeutschland, aber auch in Teilen von Bayern, Niedersachsen oder dem Saarland – leiden stärker unter Abwanderung und Überalterung als prosperierende Großstädte und Metropolregionen. Hier ist der Fachkräftemangel oft besonders akut.
Demografie im eigenen Unternehmen analysieren
Jedes Unternehmen sollte seine eigene Altersstruktur genau kennen und analysieren: Wie viele Mitarbeiter gehen in den nächsten 5, 10, 15 Jahren in Rente? In welchen Abteilungen droht der größte Wissensverlust? Welche Schlüsselpositionen müssen neu besetzt werden? Nur mit einer solchen vorausschauenden Analyse können rechtzeitig Gegenmaßnahmen wie Wissenstransferprogramme, Nachfolgeplanung oder gezieltes Recruiting eingeleitet werden.
Fazit und Ausblick
Der demografische Wandel ist eine der zentralen Herausforderungen für den deutschen Mittelstand. Sinkende Erwerbspersonenzahlen und eine alternde Belegschaft verschärfen den bereits spürbaren Fachkräftemangel. Eine proaktive, demografieorientierte Personalpolitik ist unerlässlich, um Wissen im Unternehmen zu halten, Nachwuchs zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu gewährleisten.