01. Mai 20259 min

Handwerk: Nachwuchsmangel und Generationswechsel in kleinen Betrieben

Die Lage im Handwerk ist durch verschiedene Trends geprägt, die zusammen ein herausforderndes Gesamtbild ergeben. Die folgenden Daten zeigen die konkreten Dimensionen der Problematik.

Trend 1: Ausbildungsmarkt Handwerk

Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Handwerk ist seit den 1990ern tendenziell gesunken. 2022 gab es zwar einen leichten Anstieg nach Corona, aber viele Lehrstellen blieben unbesetzt. Laut ZDH konnten im dritten Quartal 2022 nur 51 % der angebotenen Ausbildungsplätze im Handwerk besetzt werden – insbesondere Kleinstbetriebe fanden kaum Azubis, während größere Handwerksunternehmen etwas erfolgreicher waren.

Problemfelder

Weniger Schulabgänger insgesamt
Verstärkter Trend zum Abitur/Studium
Vorurteile gegenüber einer Lehre im Handwerk

Besetzungsquote 2022

51%

der angebotenen Ausbildungsplätze im Handwerk wurden besetzt

“Kleinstbetriebe besonders betroffen”

Trend 2: Abwanderung und Berufswechsel

Viele Handwerker verlassen ihren Beruf, etwa wegen gesundheitlicher Belastungen (z.B. Rückenprobleme bei Bauhandwerkern) oder attraktiverer Konditionen in der Industrie. Beispielsweise wechseln Kfz-Mechatroniker nicht selten zu Automobilherstellern, Elektriker gehen in die Industrie-Instandhaltung usw. So fehlen dem klassischen Handwerk Fachkräfte, obwohl sie ausgebildet wurden – sie arbeiten nur woanders.

Hauptgründe für Abwanderung

Gesundheitliche Belastungen im Handwerk
Attraktivere Konditionen in der Industrie
Bessere Arbeitszeiten und Work-Life-Balance

Typische Wechselpfade

Kfz-Mechatroniker → Automobilhersteller
Elektriker → Industrie-Instandhaltung
Facharbeiter → Facility Management

Trend 3: Generationswechsel in Betrieben

Das Durchschnittsalter der Handwerksmeister steigt. Schätzungen zufolge sind rund 30 % der Handwerksunternehmer über 55 Jahre alt. Bis 2030 bedeutet das zehntausende Übergaben jährlich. Die Realität zeigt: Immer weniger Jungmeister wollen sich selbständig machen – die Zahl der Betriebsübernahmen durch Nachfolger sinkt, oft mangels Kandidaten.

Übergabeproblematik

125.000

Handwerksbetriebe werden bis 2030 einen Nachfolger suchen

~50%

aller Betriebsinhaber im Handwerk stehen vor der Übergabe

Folgen fehlender Nachfolger

Etliche Betriebe werden mangels Übernahme geschlossen oder von größeren Betrieben aufgekauft, was zu einer Konzentration führt (größere Einheiten, weniger kleine Familienbetriebe). Der ZDH warnt vor einem Verlust an Vielfalt und regionaler Versorgungsdichte, wenn diese Nachfolgelücke nicht geschlossen wird.

“Konzentration statt Vielfalt”

Trend 4: Digitalisierung im Handwerk

Viele Handwerksbetriebe haben Nachholbedarf bei Digitalisierung. Laut einer Umfrage 2020 hatten rund 53 % der Handwerker digitale Technologien im Einsatz (z.B. Tablet für Angebotserstellung, digitale Zeiterfassung), aber nur 10 % nutzten hochinnovative Tech wie 3D-Druck oder Building Information Modeling (BIM) im Bauhandwerk.

Digitalisierungsstand 2020

53%

setzen grundlegende digitale Technologien ein

10%

nutzen hochinnovative Technologien (3D-Druck, BIM)

Gründe für Zurückhaltung

Fehlendes Know-how / Personal
Hohe Investitionskosten
Unklare ROI / Nutzen
Zeitdruck im Tagesgeschäft

Kernherausforderungen für kleine Handwerksbetriebe

Kleine Handwerksbetriebe stehen vor spezifischen Herausforderungen, die sich aus den übergeordneten Trends ergeben. Vier Kernprobleme sind dabei besonders relevant:

1. Nachwuchsgewinnung

Die Attraktivität der dualen Ausbildung sinkt, und viele junge Menschen bevorzugen ein Studium. Handwerksberufe kämpfen mit Imageproblemen und dem Eindruck körperlich harter, schlecht bezahlter Arbeit. Kleine Betriebe können oft nicht die gleichen Anreize (Gehalt, Benefits) bieten wie große Unternehmen.

  • Konkurrenz durch Industrie und größere Betriebe um wenige Bewerber.
  • Mangelnde Sichtbarkeit kleiner Betriebe auf Ausbildungsmessen oder online.
  • Schwierigkeit, moderne Arbeitsbedingungen (flexible Zeiten, etc.) zu bieten.
2. Mitarbeiterbindung

Nicht nur die Gewinnung, auch das Halten von Fachkräften ist schwierig. Abwerbeversuche durch die Industrie, begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten in Kleinstbetrieben und teilweise hohe körperliche Belastungen führen zu Fluktuation.

  • Fehlende Karrierepfade über die Meisterebene hinaus.
  • Gehaltsunterschiede zur Industrie können schwer auszugleichen sein.
  • Notwendigkeit, ein positives Betriebsklima und Wertschätzung aktiv zu fördern.
3. Nachfolgersuche

Die Betriebsnachfolge ist eine der größten Hürden. Oft finden Inhaber keine geeigneten Nachfolger innerhalb der Familie oder unter den Mitarbeitern. Externe Käufer sind rar, und die finanziellen sowie bürokratischen Hürden einer Übernahme schrecken potenzielle Kandidaten ab.

  • Hoher Anteil an Inhabern im Rentenalter.
  • Mangel an qualifizierten und willigen Übernahme-Kandidaten (Jungmeistern).
  • Komplexe Bewertungs- und Finanzierungsfragen bei der Übergabe.
  • Emotionale Bindung des Alt-Inhabers erschwert Loslassen.
4. Digitalisierung adaptieren

Während die Digitalisierung Effizienzpotenziale bietet (z.B. digitale Auftragsverwaltung, Kundenkommunikation, moderne Fertigung), fehlt es kleinen Betrieben oft an Zeit, Geld und Know-how für die Umsetzung. Die Integration digitaler Werkzeuge ins Tagesgeschäft ist eine große Aufgabe.

  • Investitionskosten für Hard- und Software.
  • Zeitaufwand für Schulung und Implementierung neben dem Kerngeschäft.
  • Unsicherheit über den konkreten Nutzen und die passende Technologie.
  • Datenschutz und IT-Sicherheit als zusätzliche Komplexitätstreiber.

Strategische Lösungsansätze und Handlungsfelder

Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen Handwerksbetriebe, Verbände und Politik gemeinsam handeln. Folgende strategische Ansätze sind zentral:

1. Offensive Nachwuchsförderung & Imagepflege

Das Image des Handwerks muss modernisiert werden. Kampagnen sollten die Vielfalt, Kreativität und Zukunftsfähigkeit der Berufe betonen (z.B. Rolle bei Energiewende, Smart Home).

  • Frühzeitige Berufsorientierung an Schulen (Praktika, Werkstatttage).
  • Nutzung digitaler Kanäle (Social Media, Azubi-Blogs) zur Ansprache junger Menschen.
  • Betonung von Karrierewegen und Weiterbildungsmöglichkeiten (Meister, Techniker, Studium).
  • Förderung von “Ausbildungsbotschaftern” (junge Gesellen berichten).
  • Stärkere Kooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen.
2. Mitarbeiterbindung und Weiterbildung stärken

Ein gutes Betriebsklima, faire Bezahlung und Perspektiven sind entscheidend, um Fachkräfte zu halten. Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung zahlen sich aus.

  • Regelmäßige Weiterbildungsangebote (fachlich und überfachlich).
  • Förderung von Zusatzqualifikationen (z.B. Gebäudeenergieberater).
  • Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle, wo möglich.
  • Betriebliche Gesundheitsförderung zur Reduzierung körperlicher Belastungen.
  • Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligen und Wertschätzung zeigen.
3. Nachfolge aktiv und frühzeitig gestalten

Betriebsinhaber müssen die Nachfolgeplanung als strategische Aufgabe begreifen und frühzeitig (5-10 Jahre vorher) beginnen. Unterstützung durch Kammern und Berater ist wichtig.

  • Nachfolge-Checks und Beratungsangebote der Handwerkskammern nutzen.
  • Potenzielle interne Nachfolger (Mitarbeiter, Kinder) frühzeitig fördern und einbinden.
  • Nutzung von Nachfolgebörsen (z.B. nexxt-change).
  • Alternative Übergabemodelle prüfen (z.B. schrittweise Übergabe, Verpachtung).
  • Klare Regelung von Finanzen, Haftung und Verantwortlichkeiten.
4. Digitalisierung als Chance für Effizienz und Attraktivität

Digitale Werkzeuge können helfen, Prozesse zu optimieren, Kosten zu senken und die Arbeit attraktiver zu gestalten. Gezielte Investitionen sind notwendig.

  • Nutzung von Branchensoftware für Kalkulation, Planung und Abrechnung.
  • Einsatz mobiler Geräte für Zeiterfassung, Dokumentation und Kommunikation.
  • Aufbau einer professionellen Website und Online-Präsenz zur Kundengewinnung.
  • Prüfung von Fördermitteln für Digitalisierungsprojekte (z.B. “Digital Jetzt”).
  • Kooperationen mit anderen Betrieben zur gemeinsamen Nutzung von Technologien.

Fazit: Handwerk 2033 – Zwischen Tradition und Transformation

Das Handwerk steht vor großen Umbrüchen, bietet aber enorme Chancen für Betriebe, die sich aktiv anpassen. Die Verbindung von traditionellem Können mit modernen Strategien in Ausbildung, Mitarbeiterführung, Nachfolge und Digitalisierung wird entscheidend sein, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

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