Management Summary
Das Handwerk – vom Bäcker über den Installateur bis zum Tischler – ist traditionell das Rückgrat der deutschen Mittelstandslandschaft. Rund 1 Million Betriebe und 5,5 Millionen Beschäftigte zählt das Handwerk. Bis 2033 zeichnet sich jedoch eine kritische Entwicklung ab: Die Kombination aus Fachkräftemangel und Generationswechsel trifft kaum einen Sektor so stark wie das Handwerk.
Bereits heute fehlen ca. 113.000 Fachkräfte im Handwerk. Gleichzeitig werden laut Zentralverband des Deutschen Handwerks bis 2030 rund 125.000 Handwerksbetriebe einen Nachfolger suchen müssen (Inhaber gehen in Rente). Das bedeutet, nahezu jeder zweite Betriebsinhaber im Handwerk steht vor der Übergabe – eine enorme Zahl. Viele Betriebe finden jedoch keinen Nachfolger und drohen zu schließen.
Kurz: Das Handwerk steht an einem Scheideweg. Gelingt es, genug talentierte Nachwuchskräfte zu gewinnen und den Erfahrungsschatz der Altmeister zu übertragen, wird es auch 2033 prosperieren. Scheitert dies, droht eine Lücke in Versorgung und Mittelstandsstruktur (man spricht schon von “Handwerker-Not” bei Endkunden, die Monate auf Handwerker warten müssen).
Branchenspezifische Trends und Daten
Die Lage im Handwerk ist durch verschiedene Trends geprägt, die zusammen ein herausforderndes Gesamtbild ergeben. Die folgenden Daten zeigen die konkreten Dimensionen der Problematik.
Trend 1: Ausbildungsmarkt Handwerk
Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Handwerk ist seit den 1990ern tendenziell gesunken. 2022 gab es zwar einen leichten Anstieg nach Corona, aber viele Lehrstellen blieben unbesetzt. Laut ZDH konnten im dritten Quartal 2022 nur 51 % der angebotenen Ausbildungsplätze im Handwerk besetzt werden – insbesondere Kleinstbetriebe fanden kaum Azubis, während größere Handwerksunternehmen etwas erfolgreicher waren.
Problemfelder
Besetzungsquote 2022
der angebotenen Ausbildungsplätze im Handwerk wurden besetzt
“Kleinstbetriebe besonders betroffen”
Trend 2: Abwanderung und Berufswechsel
Viele Handwerker verlassen ihren Beruf, etwa wegen gesundheitlicher Belastungen (z.B. Rückenprobleme bei Bauhandwerkern) oder attraktiverer Konditionen in der Industrie. Beispielsweise wechseln Kfz-Mechatroniker nicht selten zu Automobilherstellern, Elektriker gehen in die Industrie-Instandhaltung usw. So fehlen dem klassischen Handwerk Fachkräfte, obwohl sie ausgebildet wurden – sie arbeiten nur woanders.
Hauptgründe für Abwanderung
Typische Wechselpfade
Trend 3: Generationswechsel in Betrieben
Das Durchschnittsalter der Handwerksmeister steigt. Schätzungen zufolge sind rund 30 % der Handwerksunternehmer über 55 Jahre alt. Bis 2030 bedeutet das zehntausende Übergaben jährlich. Die Realität zeigt: Immer weniger Jungmeister wollen sich selbständig machen – die Zahl der Betriebsübernahmen durch Nachfolger sinkt, oft mangels Kandidaten.
Übergabeproblematik
Handwerksbetriebe werden bis 2030 einen Nachfolger suchen
aller Betriebsinhaber im Handwerk stehen vor der Übergabe
Folgen fehlender Nachfolger
Etliche Betriebe werden mangels Übernahme geschlossen oder von größeren Betrieben aufgekauft, was zu einer Konzentration führt (größere Einheiten, weniger kleine Familienbetriebe). Der ZDH warnt vor einem Verlust an Vielfalt und regionaler Versorgungsdichte, wenn diese Nachfolgelücke nicht geschlossen wird.
“Konzentration statt Vielfalt”
Trend 4: Digitalisierung im Handwerk
Viele Handwerksbetriebe haben Nachholbedarf bei Digitalisierung. Laut einer Umfrage 2020 hatten rund 53 % der Handwerker digitale Technologien im Einsatz (z.B. Tablet für Angebotserstellung, digitale Zeiterfassung), aber nur 10 % nutzten hochinnovative Tech wie 3D-Druck oder Building Information Modeling (BIM) im Bauhandwerk.
Digitalisierungsstand 2020
setzen grundlegende digitale Technologien ein
nutzen hochinnovative Technologien (3D-Druck, BIM)
Gründe für Zurückhaltung
Kernherausforderungen für kleine Handwerksbetriebe
Kleine Handwerksbetriebe stehen vor spezifischen Herausforderungen, die sich aus den übergeordneten Trends ergeben. Vier Kernprobleme sind dabei besonders relevant:
Die Attraktivität der dualen Ausbildung sinkt, und viele junge Menschen bevorzugen ein Studium. Handwerksberufe kämpfen mit Imageproblemen und dem Eindruck körperlich harter, schlecht bezahlter Arbeit. Kleine Betriebe können oft nicht die gleichen Anreize (Gehalt, Benefits) bieten wie große Unternehmen.
- Konkurrenz durch Industrie und größere Betriebe um wenige Bewerber.
- Mangelnde Sichtbarkeit kleiner Betriebe auf Ausbildungsmessen oder online.
- Schwierigkeit, moderne Arbeitsbedingungen (flexible Zeiten, etc.) zu bieten.
Nicht nur die Gewinnung, auch das Halten von Fachkräften ist schwierig. Abwerbeversuche durch die Industrie, begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten in Kleinstbetrieben und teilweise hohe körperliche Belastungen führen zu Fluktuation.
- Fehlende Karrierepfade über die Meisterebene hinaus.
- Gehaltsunterschiede zur Industrie können schwer auszugleichen sein.
- Notwendigkeit, ein positives Betriebsklima und Wertschätzung aktiv zu fördern.
Die Betriebsnachfolge ist eine der größten Hürden. Oft finden Inhaber keine geeigneten Nachfolger innerhalb der Familie oder unter den Mitarbeitern. Externe Käufer sind rar, und die finanziellen sowie bürokratischen Hürden einer Übernahme schrecken potenzielle Kandidaten ab.
- Hoher Anteil an Inhabern im Rentenalter.
- Mangel an qualifizierten und willigen Übernahme-Kandidaten (Jungmeistern).
- Komplexe Bewertungs- und Finanzierungsfragen bei der Übergabe.
- Emotionale Bindung des Alt-Inhabers erschwert Loslassen.
Während die Digitalisierung Effizienzpotenziale bietet (z.B. digitale Auftragsverwaltung, Kundenkommunikation, moderne Fertigung), fehlt es kleinen Betrieben oft an Zeit, Geld und Know-how für die Umsetzung. Die Integration digitaler Werkzeuge ins Tagesgeschäft ist eine große Aufgabe.
- Investitionskosten für Hard- und Software.
- Zeitaufwand für Schulung und Implementierung neben dem Kerngeschäft.
- Unsicherheit über den konkreten Nutzen und die passende Technologie.
- Datenschutz und IT-Sicherheit als zusätzliche Komplexitätstreiber.
Strategische Lösungsansätze und Handlungsfelder
Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen Handwerksbetriebe, Verbände und Politik gemeinsam handeln. Folgende strategische Ansätze sind zentral:
Das Image des Handwerks muss modernisiert werden. Kampagnen sollten die Vielfalt, Kreativität und Zukunftsfähigkeit der Berufe betonen (z.B. Rolle bei Energiewende, Smart Home).
- Frühzeitige Berufsorientierung an Schulen (Praktika, Werkstatttage).
- Nutzung digitaler Kanäle (Social Media, Azubi-Blogs) zur Ansprache junger Menschen.
- Betonung von Karrierewegen und Weiterbildungsmöglichkeiten (Meister, Techniker, Studium).
- Förderung von “Ausbildungsbotschaftern” (junge Gesellen berichten).
- Stärkere Kooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen.
Ein gutes Betriebsklima, faire Bezahlung und Perspektiven sind entscheidend, um Fachkräfte zu halten. Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung zahlen sich aus.
- Regelmäßige Weiterbildungsangebote (fachlich und überfachlich).
- Förderung von Zusatzqualifikationen (z.B. Gebäudeenergieberater).
- Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle, wo möglich.
- Betriebliche Gesundheitsförderung zur Reduzierung körperlicher Belastungen.
- Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligen und Wertschätzung zeigen.
Betriebsinhaber müssen die Nachfolgeplanung als strategische Aufgabe begreifen und frühzeitig (5-10 Jahre vorher) beginnen. Unterstützung durch Kammern und Berater ist wichtig.
- Nachfolge-Checks und Beratungsangebote der Handwerkskammern nutzen.
- Potenzielle interne Nachfolger (Mitarbeiter, Kinder) frühzeitig fördern und einbinden.
- Nutzung von Nachfolgebörsen (z.B. nexxt-change).
- Alternative Übergabemodelle prüfen (z.B. schrittweise Übergabe, Verpachtung).
- Klare Regelung von Finanzen, Haftung und Verantwortlichkeiten.
Digitale Werkzeuge können helfen, Prozesse zu optimieren, Kosten zu senken und die Arbeit attraktiver zu gestalten. Gezielte Investitionen sind notwendig.
- Nutzung von Branchensoftware für Kalkulation, Planung und Abrechnung.
- Einsatz mobiler Geräte für Zeiterfassung, Dokumentation und Kommunikation.
- Aufbau einer professionellen Website und Online-Präsenz zur Kundengewinnung.
- Prüfung von Fördermitteln für Digitalisierungsprojekte (z.B. “Digital Jetzt”).
- Kooperationen mit anderen Betrieben zur gemeinsamen Nutzung von Technologien.
Fazit: Handwerk 2033 – Zwischen Tradition und Transformation
Das Handwerk steht vor großen Umbrüchen, bietet aber enorme Chancen für Betriebe, die sich aktiv anpassen. Die Verbindung von traditionellem Können mit modernen Strategien in Ausbildung, Mitarbeiterführung, Nachfolge und Digitalisierung wird entscheidend sein, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.